Ökohof Waldgarten
Steckbrief
Name | Ökohof Waldgarten/ Solawi Waldgarten |
Organisation | Unternehmen (Ökohof), nicht-eingetragener Verein (Solidarische Landwirtschaft) |
Kategorie | Food Forest |
Größe | 3 Hektar Wald, 5 Hektar Ackerland |
Gründungsjahr | 2006 |
Ort | Deutschland Brandenburg Barenthin |
Funktion | Lebensmittelproduktion |
Arbeitskräfte | Chefgärtner Frank 3 Gärtner 2 Trainees 2 Teilzeitkräfte Praktikant/innen SoLaWi Mitglieder (regelmäßige Arbeitseinsätze) |
Management und Methoden | Intensiver Gemüseanbau, Waldgartenelemente weniger arbeitsintensiv; Planung durch Chefgärtner Frank, SoLaWi Mitglieder organisieren sich an den Abholstationen selbst |
Finanzierung | Solidarische Landwirtschaft mit 160 Ernteanteilen, wöchentlicher Marktstand, Land: Privatfinanzierung |
Design | Verschiedene Waldgartenelemente auf der gesamten Fläche: Kuppelwaldgarten, Agroforst im Gemüsebeet, Streuobstwiese mit Zwischenpflanzungen. Inspiriert durch Permakultur. Vision: jeweil 0,5-1ha Waldgartenfläche als Kuppelwaldgarten mit Lichtungen für Gemüsegärten |
Website | www.solawi-waldgarten.de |
Galerie
Entstehungsweg des Waldgartens
Ein Sommertag im Ökohof Waldgarten
von Johanna Liebmann
Es ist ein warmer Tag Anfang Juni, als wir den Ökohof Waldgarten im westlichen Brandenburg besuchen fahren. Die Sonne scheint auf das Gemüse, das in langen Reihen vor uns liegt. Neben Zucchini wachsen hier auch prächtige Salate, Rhabarber, bunte Tomaten und vieles mehr. Es summt und riecht nach Sommer. Frank, dem dieser Hof in Barenthin gehört, bückt sich und begutachtet die Tomatenpflanzen zu unseren Füßen. Die Hitze und die Dürren der letzten Jahre geben ihm zu denken, denn das Gemüse braucht viel Wasser. Hinter dem Feld stehen Obstbäume, auch sie wachsen fleißig, aber trotz ihrer tiefen Wurzel macht ihnen der fehlende Regen zu schaffen. Erst Ende nächster Woche ist wieder Regen angesagt, bis dahin heißt es weitere Überstunden fürs Gießen.
Als Frank vor über 20 Jahren auf den Hof gezogen ist, erzählt er, wollte er eigentlich nur für seine kleine Familie frisches Obst und Gemüse anbauen. Damals pendelte er noch nach Berlin, um seinen Job als Einzelhelfer in der Behindertenbetreuung nachzugehen und der Großteil des Landes war verpachtet. Mittlerweile arbeiten sechs Mitarbeiter*innen auf dem Hof mit und sein Land versorgt um die 300 Menschen in Berlin und Potsdam wöchentlich mit einer Vielfalt an bunten Biolebensmitteln, die hier auf den 8 Hektar nach Permakulturprinzipien angebaut werden. Der Hof ist nicht nur biozertifiziert, sondern auch im Demeter Verband und im Verbund Ökohöfe, was bei der Vermarktung zu faireren Preisen hilft. Seit fast zehn Jahren ist der Hof auch eine Solidarische Landwirtschaft, dass heißt die Mitglieder der Gemeinschaft tragen die Kosten für die Bewirtschaftung gemeinsam und teilen sich die Ernte. So können schlechte Jahre, zum Beispiel durch Dürren wesentlich besser aufgefangen werden und die Gemeinschaft kann mitbestimmen wie bewirtschaften wird oder auch was angebaut wird. Einen kleinen Teil der Ernte verkauft Frank aber auch heute noch auf Wochenmärkten in Berlin.
Wir spazieren rüber in den eigentlichen Waldgarten, der auch dem Hof seinen Namen verleiht. Die Bäume spenden wohltuenden Schatten und ein Rotkehlchen beäugt uns neugierig aus einem Pflaumenbaum. Es ist ein ganz anderes Gefühl zwischen den Bäumen als auf dem Feld, hier kann man richtig durchatmen. Frank erzählt uns, wie schade er es findet, dass wichtige Ökosystemleistungen wie Bodenaufbau, Biodiversität oder die positive Beeinflussung des Mikroklimas vom Großteil unserer Gesellschaft nicht wertgeschätzt werden. Denn wenn Bauern und Bäuerinnen auch für Tätigkeiten, die das Ökosystem aufbauen entlohnt werden würden, könnte diese Art des Anbaus viel breitflächiger zur Lebensmittelproduktion zum Einsatz kommen. Stolz zeigt er uns seine Aprikosen- und Apfelbäume, Walnussbäume und Maronen, Himbeersträucher, Holunder und Kirschen. Eine Hummel brummt an uns vorbei in den ausladend blühenden Holunder. Frank pflückt ein paar der leuchtend roten Kirschen und hält sie uns zum Probieren hin, bevor er sich selber eine in den Mund schiebt.
Wegen der fehlenden Subventionen für agroforstwirtschaftliche Systeme und der fehlenden Wertschätzung von Lebensmitteln, die den Verkauf zu fairen Preisen möglich machen würde, war gerade in der Anfangsphase viel Kreativität gefragt. So hat Frank zum Beispiel im Winter auf Weihnachtsmärkten geröstete Maronen verkauft und die übrig gebliebenen bei sich eingepflanzt. Ob die damals gepflanzten Maronen aus Sämlingen auch Früchte trafen, weiß er jedoch nicht. Er hat sich außerdem auch stärker auf den Gemüseanbau konzentriert, der schon im Jahr der Aussaat für Einkommen sorgt. Denn die Sträucher und Bäume brauchen einige Jahre bis sie Erträge liefern, aber das Pflanzen kostet Geld und ist erstmal zeitintensiv. In den kommenden Jahren wird der Anteil an Obst aber weiterhin stetig steigen und sich richtig lohnen, denn die Bäume sind wesentlich weniger arbeitsintensiv als das einjährige Gemüse. Die Kombination aus beiden und die hohe Vielfalt an verschiedenen Pflanzen macht den Hof resilienter, berichtet Frank, denn wenn die Obsternten in einem Jahr schlechter ausfallen, lässt sich das mit dem Gemüse ausgleichen und andersrum.
Rund um den Ökohof erstrecken sich Mais- und Weizenmonokulturen. Frank sieht viele Probleme mit unserem derzeitige Ernährungssystem: Intransparenz, Subventionen, die für Fläche und nicht für Praktiken vergeben werden, die die Ökosysteme unterstützenstark verarbeitete Fertiglebensmittel, branchenferne Investoren, die dafür sorgen, dass das wenige Geld, was noch erwirtschaftet wird, auch noch aus dem ländlichen Raum rausfließt und vieles mehr. Stattdessen bräuchten wir bäuerliche Strukturen, solidarisch organisiert und wieder mehr Menschen in der Landwirtschaft. Dazu Wertschätzung für die wichtige Arbeit, die Bauern leisten, eine regenerative Landwirtschaft, die Ressourcen aufbauen anstatt sie ausbeuten und Subventionen sollten an sinnvolle Dinge wie Humusaufbau, Artenvielfalt, Arbeitsplatzschaffung gekoppelt sein. Jedes Jahr veranstaltet er einen Tag der offenen Tür und begeistert die zahlreichen Besucher*innen von seinem Konzept.
Franks Augen leuchten als er uns von seiner Vision für den Ökohof erzählt. Er arbeitet an einem Waldgarten mit Lichtungen zwischendrin für das sonnenliebende Gemüse. Damit könnte er gleichzeitig seinem Wunsch nach einer regenerativen Landwirtschaft mit Bodenaufbau, Förderung von Biodiversität und eines positiv beeinflussten Mikroklimas nachgehen und hätte trotzdem die zusätzlichen Einnahmen durch das Gemüse. Wie er so zwischen den Bäumen steht und von seinen Visionen für eine bessere Zukunft erzählt, scheint Frank komplett in seinem Element zu sein, stolz auf das, was hier in den letzten zwanzig Jahren passiert ist und erwartungsvoll für die kommenden Jahre. Nach der kleinen Führung und dem spannenden Gespräch geht’s ab an die Arbeit, denn im Juni gibt es viel zu tun auf dem Hof. Als wir uns am frühen Abend auf den Weg machen, gibt Frank uns noch ein paar Kirschen mit, sie schmecken nach der Arbeit noch viel süßer und zergehen uns auf der Zunge, als wir uns mit vielen Gedanken über das heute Gelernte und Geschaffte auf den Nachhauseweg machen.
Quellen:
Albrecht, S. & Wiek, A. (2020a, in prep). Food Forests around the World – Size, Function, Viability, and Sustainability. Working Paper. Center for Global Sustainability and Cultural Transformation, Leuphana University of Lüneburg and Arizona State University.
Albrecht, Stefanie (2018). Interview mit Frank Wesemann, Landwirt der SoLaWi Waldgarten und Besitzer des Ökohof Waldgarten am 20.05.2018, Ökohof Waldgarten.
Dies ist eine rein fiktive Geschichte, die auf der Basis von Informationen aus den angeführten Quellen im Rahmen des Seminars „Waldgärten als multi-funktionale Nachhaltigkeitslösung verstehen“ an der Leuphana Universität Lüneburg entstand. Die Geschichte soll die Entstehungsgeschichte des Waldgartens sowie einige zentrale Erfolgsfaktoren und Barrieren veranschaulichen. Die eLearning Einheit “Storytelling in der Nachhaltigkeitskommunikation” unterstützte methodisch das Entstehen der Geschichte (https://elearning.sustelling.de/).
Nachhaltigkeitsbewertung
Bewertung des Waldgartens anhand ökologischer, ökonomischer und sozio-kultureller Parameter. Je größer das Tortenstück, desto nachhaltiger.