Der magische Traum
Autorin: Edith Faust
Erstes Kapitel: Wie das Schicksalsrad sich dreht
Dies ist die Geschichte eines geheimnisvollen Zaubergartens. Es ist eine schöne Geschichte, das kann ich jetzt schon verraten. Hier treffen Menschen mit einer lebendigen Seele aufeinander und das Menschsein in inniger Verbindung mit der Natur hat höchste Priorität.
Der Traum beginnt, geträumt zu werden
Der magische Ort, von dem ich spreche, liegt in einer beliebten Urlaubsregion an der Müritz in Mecklenburg-Vorpommern. Hier leben Klaus und Christel Eberhardt. Die beiden betreiben eine idyllisch gelegene Ferienwohnanlage. Schon beim ersten Gang durchs Gebäude merke ich, wie nahezu luxuriös, wunderschön eingerichtet und einfach zum Wohlfühlen die Wohnungen sind. Doch ich will gar nicht hauptsächlich davon sprechen, sondern vielmehr von dem, was sich darum herum befindet – der Garten. Wenn ich ihn betrete, voller freudiger Erwartung, wie ein Kind, das zum ersten Mal einen Freizeitpark besucht, sehe ich… nichts. Gar nichts? Aber wie kann das sein? Tja, der Traum vom Zaubergarten ist eben noch ein Traum. Doch die Eberhardts träumen schon lange und intensiv und jetzt nähert sich der Traum der Wirklichkeit an: ein Projekt steckt in den Kinderschuhen, das der leeren Fläche vor dem Ferienhaus eine ganz besondere Atmosphäre verleihen soll. Beteiligt sind: eine Gruppe von Studierenden aus Lüneburg, die sich zum Ziel genommen haben, diesen aussichtsreichen Ort zu einem Waldgarten* umzugestalten – unter diesen bin ich auch zu finden; Agnes Friedel und Stefanie Albrecht, die Dozentinnen des Seminars; Niklas, der Tutor; und selbstverständlich das Ehepaar Eberhardt. Zusätzlich wäre da noch Angelika Kalix, eine Gärtnerin, die nicht weit entfernt eine auf anthroposophischen Prinzipien aufgebaute Staudengärtnerei betreibt. Aus ihren Erzählungen wird mir klar, dass sie schon Ideen hat, was auf der Fläche passieren könnte, denn in ihrem Kopf existieren zahlreiche fantasievolle Formen und Bilder, die nur darauf warten, zur Wirklichkeit zu werden. Angebahnt hat sich unsere besondere Kooperation aus der Zauberkraft der Ideen von Angelika heraus. Vielleicht als Faktor innerlicher Verbundenheit möchte ich erwähnen, dass das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, welches die Bühne unseres Werkes darstellt, die Heimat beider Dozentinnen ist. Eine weitere Weiche für den Lauf des Schicksalsrades ist der Umstand, dass es in der Müritz-Region keine nahegelegene Universität gibt – also kam der Abenteuerwind bis nach Lüneburg herübergeweht und wir haben Segel gesetzt. Die Leuphana Universität Lüneburg bietet Studierenden fortlaufend Möglichkeiten, um sich auf transdisziplinäre* Weise mit Waldgärten zu beschäftigen – so war der Lauf der Dinge, um uns alle schicksalhaft zu versammeln. Schon bald zog das Projekt uns alle in den Bann.
Nun genug vom Schicksalsrad – jetzt interessiert mich brennend, wie denn die mysteriöse Fläche überhaupt aussieht! Für diesen Zweck möchte ich euch von meinem ersten kleinen Geländeausflug berichten.
Auf den ersten Blick sehe ich, dass im Garten des Grundstückes sehr wenig los ist – bis auf einige Handwerker, die ein- und ausgehen, um ihre Arbeit zu erledigen. Baustelle erstreckt sich über einige Areale um das Haus herum, und auch im Gebäude gibt es noch zu tun; teilweise sieht es unfertig aus, im Umbruch begriffen. Doch dann erstreckt sich vor mir der weite Blick über die Müritz: klares Blau, strahlende, glitzernde Wogen, der Wind erfrischt mir das Gemüt. Die Aussicht lädt dazu ein, für eine lange Zeit mit dem Blick in der friedvollen Ferne zu verweilen. Das sogenannte „Drachenauge“, ein Kunstwerk am Ende des Grundstücks, zeigt mir einen Ausschnitt aus der Natur, der wie ein Bild aussieht, das man sich ins Wohnzimmer hängen könnte. Noch habe ich Schwierigkeiten, mir die Vision vom bunten, vielfältigen Garten vorzustellen, doch das nimmt mir weder Hoffnung noch Vorfreude, denn der obschon karge Rasen bietet genug Fläche, um blühende Fantasien wachsen zu lassen.
*hier eine Definition des Begriffs Waldgarten und weitere interessante Grundlagen: FAQs – Waldgartenwelten.de (leuphana.de).
*Transdisziplinarität ist ein (Forschungs-)Ansatz, bei dem wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Akteure zusammen an Lösungen für reale Probleme arbeiten.
Zweites Kapitel: Das Wachstum der blühenden Fantasien
Das Abenteuer beginnt
Am 2.6.2023 beginnt eine wichtige Phase des Projekts: Das akademische Traumteam aus Lüneburg bahnt sich seinen Weg durch die ländliche Gegend bis hin zur besagten Ferienwohnanlage der Eberhardts. Angekommen auf dem Grundstück, beginnen wir mit der Erkundung des Geländes und treffen auf immer größere Faszination für die Weite des Blickes, das Rauschen des Windes, das freiheitliche Gefühl des Abenteuers ohne festen Ausgang – denn wir haben die Aufgabe, den Garten mitzugestalten, doch wissen wir nicht genau, wie der Prozess ablaufen wird. Klar ist: wir haben eine Menge zu tun.
Nachmittags lernen wir die Eberhardts näher kennen. In einer offenen Gesprächsrunde auf der Veranda tauschen wir uns wissensdurstig über den Traum des hier entstehenden Zaubergartens aus, über Vorstellungen und Erwartungen und vieles mehr. Wir lernen, dass dieser Ort eine Inspirationsquelle für Menschen sein soll, die Empfindsamkeit und Nachdenklichkeit mitbringen, die sich vom Zauber der Natur mitreißen lassen, denen unsere natürliche Umgebung schlichtweg am Herzen liegt. Es soll ein Leuchtturmprojekt werden, das hinaus in die Ferne strahlt, Menschen von fern anzieht und Begegnungen möglich macht. Für diese Menschen, auf welche Weise auch immer sie sich inspirieren mögen, soll der Waldgarten, den Klaus Eberhardt liebevoll „Zaubergarten“ getauft hat, entstehen. Aber wie genau soll er aufgebaut sein? Zum einen soll er eine Gilde als typisches Element eines Waldgartens enthalten. Eine Gilde ist eine Pflanzengemeinschaft mit einem zentralen Baum, um den herum Sträucher und Kräuter angeordnet sind; sie soll einem natürlichen System sehr nahe kommen und gleichzeitig auch einen Nutzen für den Menschen haben (in diesem Fall: was zu futtern bieten). Zum anderen enthält die Vision eine Hecke mit verschiedenen Pflanzen, die leckere, zum Naschen geeignete Früchte tragen sollen. Im Zaubergarten soll man sich frei bewegen, alle Winkel entdecken und in freudigen Einklang mit der Natur kommen können!
Das klingt nach einer ganz schön anspruchsvollen Aufgabe für uns Studierende, die größtenteils zum allerersten Mal in ein solches Projekt involviert sind! Den Garten aufzuhübschen, klingt ja erstmal total machbar – allerdings gibt es eine Myriade an Dingen, die beachtet werden müssen! Zum einen ist der Boden unfassbar trocken…
Der Boden – Träger des Zaubergartens
Mit so einem Boden lässt es sich schlecht arbeiten. Damit die Pflanzen gut wachsen können, brauchen sie Platz für ihre Wurzeln und genug Lockerheit im Boden, um Wasser und Nährstoffe aufnehmen zu können. Danach sieht es im Moment leider gar nicht aus! Um uns die Beschaffenheit genauer anzuschauen, nehmen wir Bodenproben in Form von kleinen Erdwürfeln, die wir mit dem Spaten ausstechen. Jedenfalls haben wir uns das so vorgestellt, denn der Spaten scheitert kläglich an der festgetretenen Erde, als wäre sie Beton… nach ein wenig ratlosem Überlegen entscheiden wir, es mit einem Messer zu probieren. Damit geht es schon etwas leichter, auch wenn es immer noch sehr mühselig ist. Nach einer gefühlten Ewigkeit können wir den Erdwürfel endlich ausheben und sehen, dass die oberste Bodenschicht kaum organisches Material bietet; dass der Boden darunter staubtrocken ist; dass darin Steine und Schutt liegen, die da eventuell gar nichts verloren haben… Fazit: der Boden ist eine harte Nuss. Also was machen wir damit? Hilft vielleicht eine Gründüngung für mehr Lockerheit und Nährstoffe? Oder müssen wir umgraben? Jedenfalls ist klar: künstlich gedüngt wird hier gar nichts. Die Natur schafft das langfristig auch ohne unnatürliche Nährstoffe!
Der Mensch im Zaubergarten
Was zusätzlich zu den Ansprüchen der Pflanzen an die Bodenbeschaffenheit zu beachten ist, sind auch die Ansprüche der Menschen an den zauberhaften Waldgarten – hauptsächlich für diese wird er schließlich erschaffen! Natürlich trägt ein solcher Garten auch zur Artenvielfalt bei, hier allerdings eher als erfreulicher Nebeneffekt.
Es ist eine schier unüberblickbare Anzahl an Faktoren, die berücksichtigt werden können, wenn wir uns Gedanken über die Funktionen des Waldgartens machen. Welche Bedürfnisse haben die Urlauber*innen, die hier ihre Ferien verbringen wollen? Sind es schattige Plätze zum Sitzen und Entspannen oder die warme Sommersonne? Ist eher das wohlige Unter-Sich-Sein oder das abenteuerlustige Aufeinander-Zugehen und Einander-Kennenlernen mit anderen Gästen oder den Eberhardts gewünscht? Ist es möglich, einen wunderlichen Garten mit vielen entdeckungswürdigen Nischen zu errichten, ohne dabei den Blick auf die Müritz einzubüßen, der uns am Anfang so fasziniert hat? Wie muss der Garten geformt sein, sodass der starke Wind in eine angenehme Richtung gelenkt oder abgeschwächt wird? Welche Strukturen sind besonders einladend, sodass augenblicklich klar ist: hier ist ein Ort zum Entdecken, zum Spielen, zum Naschen der Früchte des Gartens?
Auch für die konkrete Planung des Gartens, das heißt der Hecke und der Gilde, muss die Denkmaschine ordentlich arbeiten: Sind nur einheimische Pflanzen ökologisch sinnvoll oder sollen exotische Pflanzen zur Zauberhaftigkeit des Gartens beitragen? Handelt es sich dabei um Nutzpflanzen oder um Systempflanzen (also solche, die keinen direkten Ertrag bringen, aber maßgeblich zum Funktionieren des Systems beitragen)? Wie verändert die Zusammensetzung der Pflanzen die Gesamtdynamik? Auch die zeitliche Dimension, sprich, wie der Garten sich über die Jahre entwickeln wird, darf nicht außer Acht gelassen werden, und so weiter und so fort…
Kunst trifft Wissenschaft
Was aussieht wie Kinderzeichnungen, ist in Wirklichkeit eine ganz besondere Methode, um dem Gedankenchaos etwas zu entkommen und unsere Ideen zu konkretisieren. Soweit wir wissen, wird sie in der Wissenschaft nicht verwendet. Trotzdem finden wir sie für unsere Fragestellung passend: mithilfe von individuell angefertigten Kohlezeichnungen sind wir mit dem Garten in ein persönliches, sensibles Verhältnis getreten und haben der Kohle auf dem Papier freien Lauf gelassen. Nicht, dass das Ziel gewesen wäre, einfach das zu zeichnen, was wir sehen, das wäre ja zu einfach – nein, es ging um die Verbildlichung unserer Empfindsamkeit in diesem innigen Moment mit diesem besonderen Stück Erde. Übrigens wird die Methode „explorative Kohlezeichnung“ genannt. Als nächstes sind wir den Schritt von träumerischer Abstraktion zur wissenschaftliche(re)n Konkretisierung gegangen, indem wir alle Zeichnungen verglichen und auf uns haben wirken lassen, um anschließend räumlichen Vorstellungen Raum zu bieten. Diese Kunstwerke können als eventuelle Grundlage für die Gestaltung von Hecke und Gilde dienen. So haben wir es geschafft, mit Kunst zu beginnen und unsere Werke in wissenschaftliche Erkenntnisse umzuwandeln. Zugegeben, die Methode ist wirklich ungewöhnlich, aber für ein so besonderes und einmaliges Projekt wie dieses ist es mehr als angebracht, sich reichlich an Kreativität zu bedienen!
Die Sicht von oben
Bei der Planung eines solchen Projekts, so hat uns Angelika Kalix erklärt, sollte vor der Planung konkreter Teilflächen zuallerersteine umfassende Vision der Gesamtfläche vorhanden sein, anhand derer die Gestaltung der einzelnen Areale abgeleitet wird – schließlich soll eine harmonische Gesamtdynamik entstehen, die widerspruchsfrei und voller fließender Übergänge ist. Diese umfassende Vision ist für das ganze Grundstück vorhanden, und am besten wäre es natürlich, die gesamte Fläche in einem Zug zu planen. So die Theorie. Blöd nur, dass wir Studierende zeitlich sehr eingeschränkt sind: hier vor Ort verbringen wir zwei Tage, danach haben wir noch gut einen Monat Zeit für die Ausarbeitung, anders lässt es der Uni-Kontext nicht zu. So manche Einschränkungen gibt es dann eben doch bei unserem Projekt: Wir Studierende können nur das Ergebnis liefern, was wir imstande sind, innerhalb kürzester Zeit und weitgehend ohne nennenswerte Vorerfahrung zu erarbeiten. Doch eventuell steckt genau darin auch viel Positives, denn wir bringen einen offenen Geist, viel Kreativität und Enthusiasmus mit! So kann die träumerische Menschlichkeit mit dem akademischen Wissensuniversum hervorragend kooperieren, was ja auch genau der Sinn hinter transdisziplinären Arbeitsprozessen ist: Akademische Akteur*innen arbeiten Hand in Hand mit Menschen aus dem „echten Leben“, um gemeinsam Lösungen für praktische Fragestellungen zu finden. Das erfordert hierin diesem Projekt viel Eigenverantwortlichkeit für die Arbeit am gruppenspezifischen Teilbereich, klare Kommunikation mit Mitstudierenden und Dozentinnen, das selbstlose Anerkennen der Notwendigkeit, bei Niklas dem Tutor nach Hilfe zu fragen und besonders auch die enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Eberhardts und Angelika Kalix.
Auch bedeutet es, mit der Unsicherheit über den Ablauf des gesamten Prozesses gut umgehen zu können und kurzfristig Pläne neu zu schmieden, falls Erwartungen nicht erfüllt werden oder neue Schwierigkeiten aus dem Nichts auftauchen. Zu tun gibt es auf jeden Fall immer genug – da grenzt es an eine große Kunst, auch mal den Schlussstrich zu ziehen und die bewusste Entscheidung zu treffen, die anderen beim Kartenspielen ordentlich abzuziehen! Auch gemeinsame Mahlzeiten mit liebevoll zubereiteten frischen Zutaten hat unsere Verschiedenheit noch mehr in Verbundenheit gebracht. Alles in allem ist der transdisziplinäre Arbeitsprozess für dieses Projekt hervorragend geeignet, bringt uns Studierende auf akademischer und persönlicher Ebene deutlich weiter und ermöglicht es hoffentlich den Eberhardts, bald eine magische Vielfalt in ihrem Garten zu erschaffen! Denn an diesem intensiven Wochenende ist der Traum vom Zaubergarten ein großes Stück näher gerückt. Mit unzähligen Besprechungen, Bodenproben, Kohlezeichnungen, Austauschen mit den Eberhardts und Angelika Kalix, Input von den Dozentinnen und vielem mehr ging es sehr gut voran. Nun verlassen wir das Gelände und kehren zurück ins alltägliche Leben ganz normaler Studierender der Leuphana Universität Lüneburg… Jetzt heißt es: tüfteln, überlegen, lesen, sich absprechen, denken, denken, denken… bis die Ergebnisse an Reife gewinnen.
Drittes Kapitel: Die Vision konkretisiert sich
Ziel in Sicht
Nach einer intensiven Phase der Ausarbeitung ist es endlich soweit: die ersten Ergebnisse kommen zum Vorschein!
Auf den beiden Plänen der Gesamtfläche ist erkennbar, wie der Zaubergarten einmal als Ganzes aussehen soll. Insgesamt geplant sind: die besagte Hecke (in grün), mehrere Gilden (orange), dazu Beete (gelb) und ein Hauptweg (braun), der dazu einlädt, das Gelände zu erkunden. Mehrere Bäume und Baumstümpfe sind auch eingezeichnet, sowie auch das Drachenauge, welches dem Garten eine bereichernde Note der bildenden Kunst verleiht. Rechts sind in Rot die Bereiche gekennzeichnet, denen sich unsere Seminargruppe im Detail gewidmet hat: die Hecke und die zentrale Gilde.
Hecke:
Bei der Hecke war es für die Planung zunächst wichtig, welche Pflanzen es genau sind, die die Bühne betreten sollen. Dazu wurde mithilfe von intensiver Recherche ein Pflanzplan mit Schlüsselarten ausgetüftelt, die hervorragend mit den Standortbedingungen harmonieren. Multifunktionalität war hier von großer Bedeutung, denn die Heckenpflanzen sollen sowohl essbare Früchte bieten als auch Systemfunktionen wie Sicht- und Windschutz übernehmen. Bei der Positionierung der Pflanzen in der bereits bestehenden Grundstruktur ging es dann um die Harmonisierung der Gesamtwirkung, indem Höhe, Breite und Systemfunktionen passend in Einklang gebracht wurden.
Ergänzend zur Auswahl und Positionierung der Pflanzen wurde ein Erntekaldender erstellt, welcher genaue Informationen darüber enthält, wann man sich über die verschiedenen Leckereien der essbaren Hecke freuen kann:
Gilde:
Die Gilde ähnelt in ihrem Planungsprozess weitgehend der Hecke: selbstverständlich wurden auch hier die spezifischen Standortfaktoren berücksichtigt, besonders das Klima und der Boden, und die Systemfunktionen waren von zentraler Bedeutung. Insbesondere zählten dazu die Optimierung der Bodenbeschaffenheit, das geschickte Nährstoffmanagement und der Schutz vor Wühlmäusen, ohne ihnen zu schaden – die kleinen Nager können einige Pflanzen schlichtweg nicht leiden und knabbern deshalb lieber woanders. Doch das ist noch längst nicht alles, denn weitere relevante Kriterien wie ökologische Vielfalt, bezaubernde Ästhetik, die Erschaffung von neuen Lieblingsplätzen zum Erholen und Entspannen und das entdeckerische Naschen der Früchte standen ebenfalls weit oben auf der Prioritätenliste. Auch, dass die Pflanzen sich gegenseitig beim Wachsen und Gedeihen unterstützen, ist hier der Plan, denn das ist nicht nur möglich und sinnvoll, sondern passt gleichzeitig auch zu unserem grundsätzlichen Lebensideal!
Zwar ist es noch etwas abstrakt, aber hier seht ihr erste visuelle Annäherungen an die Gildengestaltung:
Wie auf der Übersichtskarte erkennbar, sollen neben Hecke und Gilde noch viele weitere Elemente zur Zauberhaftigkeit des Waldgartens beitragen. Es ist ein lebendiges Projekt, welches sich ständig weiterentwickeln wird: Vielleicht gibt es bald auch Entwürfe zu einem einladenden Tor zum Garten, einem Laubengang zum Drachenauge, Liegebereichen unter den großen Weiden oder Ansitzstangen für Greifvögel, um sich vom Anblick dieser faszinierenden Tiere in den Bann ziehen zu lassen – wer weiß! Doch eins ist klar:
„Es gibt eine ganz einfache Regel: Wenn es von Herzen kommt und ehrlich ist, dann passt es auch.”
-Klaus Eberhardt
Was ich persönlich aus dieser Zeit mitgenommen habe, ist so gut wie unbeschreiblich. Die Wahrnehmung ist unfassbar subjektiv, sodass ich jeder Seele ans Herz lege, selbst die Erfahrung zu machen, Fantasie und Realität auf eine Weise verschmelzen zu lassen, wie es in den Traumwelten des Zaubergartens möglich war.
Auf eines möchte ich gerne noch aufmerksam machen. Wir leben in einer Zeit der Internetbestellungen, des Konsumwahns und des Großkonzernlobbyismus – im starken Kontrast zu dieser gigantischen Schein-Komfortzone steht die stets fortschreitende Zerstörung unserer natürlichen Umgebung, derer wir uns alle sehr bewusst sind. Noch nie hatte die Menschheit so viel Entscheidungsfreiheit. Noch nie gab es so viele Alternativen, so viele verschiedene Lebenswege. Welchen Weg wollen wir gehen? Mit welchen Inhalten füllen wir unser Leben auf Basis freier Entscheidungen? Ist es überhaupt die Mühe wert, ein Projekt wie das hier in Müritz auf die Beine zu stellen? Bis auf ein paar Urlauber, die sich darüber freuen, hat es doch sowieso keine nennenswerte Reichweite? Dazu möchte ich eine Geschichte erzählen. Als Gandhi, der seine Kleidung selber sponn, einmal mit seinem Enkelsohn Arun vor dem Spinnrad saß, bat er ihn, es in seine Einzelteile zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen – allerdings schnappte er sich eine kleine Feder, ohne die Absicht, sie wieder zurückzugeben. Das Spinnrad war wieder zusammengebaut, doch ohne die winzig kleine Feder war nicht daran zu denken, wieder zu spinnen – es war schlichtweg unmöglich. Gandhi brachte seine Lektion mit folgenden Worten auf den Punkt:
„Jeder einzelne Mensch, jede einzelne in einer Gesellschaft ist wichtig. Keiner und keine ist überflüssig
oder unwichtig. Wir alle bilden gemeinsam einen Klang.
-Arun Gandhi, Wut ist ein Geschenk, S. 147-148
In diesem Sinne: Lasst uns den Weg des Sinnvollen und Lebensbejahenden immer weiter gehen – gemeinsam!
Autorin des Textes: Edith Faust